Stellungnahme für die Sammlung der Patchwork Gilde Deutschland e.V.
Heike Heidberg-Költgen – Verknüpfungen
172 x 128 cm (H x B)
maschinengenäht,
handgequiltet
Material: Kona cotton
Künstlerische Aussage:
Sind Gegensätze wirklich nur gegensätzlich oder Teil von etwas Größerem? Altes Muster (Modern Burgoyne Surrounded) in modernen Farben, klein und groß, eckig und rund, hell und dunkel usw. Alles zusammen ergibt etwas Neues, mit allen Facetten der einzelnen Teile.
Heike Heidberg-Költgen ist bekannt als Quilterin, die traditionelle Quilts mit traditionellen Mitteln herstellt. Sie verwendet in aller Regel eher gedeckte Farben, näht von Hand mit Schablonentechnik und quiltet ebenfalls mit der Hand. Mit dem Quilt „Verknüpfungen“ hat sie neue Wege eingeschlagen.
Im Jahr 2000 kam Heike Heidberg-Költgen erstmals mit dem Thema Quilten in Berührung. Sie belegte Kurse bei Claudia Pfeil und Bernadette Mayr und entdeckte dann ihre Liebe zum Handquilten. Die Technik von Ester Miller erlernte sie bei Kathrin Brunßen. Schon bald begann sie, selbst Kurse zum Thema Handnähen in Oldenburg zu unterrichten. Ihre Technik zeichnet sich dadurch aus, dass sie Schablonen zuschneidet, wie sie beim English Paper Piecing üblich sind. Allerdings nutzt sie die Schablonen nur, um die Formen mit Bleistift auf der Rückseite der Stoffe zu markieren. Danach legt sie die Stoffe rechts auf rechts aufeinander und näht die Zuschnitte auf der Markierungsline mit einem fortlaufenden Stich zusammen.
Zu den bekannteren Arbeiten von Heike Heidberg-Költgen gehört ihr Quilt „MEIN Lebensbaum“, der 2017 in die Ausstellung der Tradition bis Moderne XI aufgenommen wurde. Das Design wird von abgewandelten Baby Jane-Blöcken dominiert, die in Form von Rauten einen Lebensbaum einrahmen. 2020 wurde ebenfalls eine Arbeit von ihr in die Tradition bis Moderne XII gewählt. Damals handelte es sich um einen Double Wedding Ring Quilt mit dem Namen „Silverwedding“, den sie ihrem Ehemann zum 25. Hochzeitstag genäht hatte. In beiden Fällen standen ihre Quilts bereits damals in der engeren Auswahl für eine Aufnahme in die Sammlung der Patchwork Gilde Deutschland.
Zur gleichen Zeit bekleidete Heike Heidberg-Költgen das Amt der Kassenwartin der Patchwork Gilde. Um nicht in den Verdacht der Vorteilsnahme im Amt zu geraten, wurde in beiden Fällen auf einen Ankauf verzichtet. 2023 hat Heike Költgen wieder zwei Quilts in den Wettbewerb „Tradition bis Moderne XIII“ eingereicht, darunter einen Baby Jane-Quilt und der Modern Burgoyne Surrounded „Verknüpfungen“. Beide Quilts haben in der Gruppe der Quilts, die als „traditionell“ angesehen werden können, bei der Jurierung am besten abgeschnitten. Da die Künstlerin jetzt kein gewähltes Amt innerhalb der Gilde mehr innehat, stand dieses Jahr einer Aufnahme in die Sammlung der Gilde nichts mehr im Wege.
Das Muster „Burgoyne Surrounded“ findet sich in Barbara Brackmans „Encyclopedia of Pieced Quilt Patterns“. Es ist ein alter Block, der seit dem späten 19. Jahrhundert als Muster veröffentlicht wurde und unter verschiedenen Namen im Umlauf ist und war, darunter: Beauregard’s Surroundings, Road To California, Burgoyne’s Quilt, Homespun, Burgoyne’s Puzzle (Brackman, Encyclopedia).
Uta Lenk hat in der Ausgabe 142 der Mitgliederzeitschrift der Patchwork Gilde den Block ausführlich vorgestellt und dann in den darauffolgenden Wochen und Monaten über 100 unterschiedliche Farbkombinationen vorgestellt, die als „Modern“ gelten. Da Beauregard der Name eines Südstaaten-Helden des amerikanischen Bürgerkriegs war und die Südstaaten für den Erhalt der Sklaverei kämpften, kam ein Block-Name zu seinen Ehren nicht in Frage. Viele der anderen Namen werden auch für andere Blöcke verwendet, die komplett anders aufgebaut sind, und sind damit nicht präzise genug. Uta Lenk verwendete daher den Namen Burgoyne Surrounded.
Diese Farbübung inspirierte Heike Heidberg-Költgen zu ihrer ganz eigenen Farbgebung. Sie wählte Schwarz als Hintergrund und gestaltete das Muster, das sich ausschließlich aus Quadraten und Rechtecken zusammensetzt, mit gesättigten, reinen Farben aus dem Bereich Gelb, Orange und Rot. Die Ausnahme sind ein paar giftgrüne Quadrate im unteren rechten Quadranten, die als Akzent dienen.
Das Design wird von dem Größenunterschied zwischen großen Blöcken im Randbereich und den wesentlich kleineren Blöcken in der Mitte bestimmt. Dazu kommt, dass die großen Blöcke angeschnitten sind. Alle Bereiche des Musters sind asymmetrisch angeordnet. Die beiden Randelemente sind weder gleich breit noch gleich hoch. Das Mittelteil läuft im unteren linken Bereich tropfenförmig aus.
Die Arbeit ist in den schwarzen Bereichen mit schwarzem Faden von Hand gequiltet. Das Muster ist an den Orange Peel bzw. einen Atarashii-Block angelehnt.
Die Farbgebung, die Größenkontraste und die angeschnittenen Ränder vermitteln den Eindruck, man hätte ein Bild stark vergrößert. Die Quadrate und Rechtecke verstärken den Eindruck, dass man ein pixeliges Bild betrachtet. Es kommen unweigerlich Assoziationen mit den ersten Computerspielen der 80er Jahre auf. Diese Illusion zu erzeugen mit einem traditionellen Muster ist es, was den Quilt modern und innovativ macht.
Das Ziel der Sammlung der Patchwork Gilde Deutschland ist es, die Geschichte des Patchwork in Deutschland zu dokumentieren. Der Quilt ist ein Beispiel dafür, wie das Angebot der Patchwork Gilde von ihren Mitgliedern angenommen wird und sie darin unterstützt, sich künstlerisch und persönlich weiterzuentwickeln.
Quellen:
Interview mit Heike Heidberg-Költgen
Kataloge „Tradition bis Moderne“ Ausgaben XI, XII und XIII der Patchwork Gilde Deutschland e.V.
Ausgabe 142 der Mitgliederzeitschrift der Patchwork Gilde Deutschland e.V.
„Encyclopedia of Pieced Quilt Patterns“ von Barbara Brackman
Barbara Lange, März 2023