Stellungnahme für die Sammlung der Patchwork Gilde Deutschland e.V.
Brigitte Fiß: Meditation
Ausgestellt bei Tradition und Moderne I (1992)
93 x 63 cm (H x B)
Material nicht eindeutig bestimmbar
Maschinengenäht, in eigener Technik strukturiert, handgequiltet, Applikation
Brigitte Fiß, die 1938 in Breslau geboren wurde, studiert von 1958 – 61 Textiles Gestalten und ist dann zwanzig Jahre lang bis 1981 als Lehrerin und im Anschluss als freischaffende Künstlerin tätig. Im Juni 2016 verstirbt sie in Schülp bei Rendsburg. Aus dem Nachlass hat die Patchwork Gilde ihre Arbeit „Meditation“ erworben.
„Seit ich denken kann, fasziniert mich textiles Material aller Art als Werkstoff“, schreibt sie in ihrem Buch „Mein wilder stiller Garten“ – allerdings zur Technik des Papiermachens, eine dem Textilen verwandte und von ihr als „besonders reizvolles Experimentierfeld“ beschriebene Technik, in der pflanzliches Material aus dem geliebten Garten Verwendung finden konnte.
Die Ausstellungsliste ihrer textilen Arbeiten und die Durchsicht der Kataloge belegen jedoch, dass sie zwischen 1984 und 97 an zahlreichen Veranstaltungen im In- und Ausland teilgenommen hat, darunter z.B. an allen in diesem Zeitraum in Heidelberg stattfindenden sieben Quilt-Biennalen, die sich inzwischen zu jurierten Wettbewerben mit gutem Renommée und Einfluss auf die Szene – und dies nicht nur im Inland – entwickelt haben. Für vier der fünf Quilt-Ausstellungen, die die Patchwork Gilde für ihre Mitglieder unter dem Titel „Tradition und Moderne“ bis ins Jahr 2000 organisierte, werden Werke von Brigitte Fiß ebenfalls ausgewählt.
1992, im siebten Jahr ihres Bestehens, zeigt die Gilde, die zu dieser Zeit etwas mehr als 2000 Mitglieder hat, in der Zitadelle in Berlin-Spandau die 60 ausgewählten Quilts plus die Arbeiten der Juroren und ist damit so erfolgreich, dass nicht nur bereits 1994 die nächste, zweite Ausstellung folgt, sondern dass dieser Wettbewerb bis heute fortbesteht.
Wie es dem Titel „Meditation“ entspricht, strahlt Brigitte Fiß’ Arbeit große Ruhe aus. Dies erreicht sie zum einen durch eine ausgewogene, im Wesentlichen auf zwei größere langgezogene rechteckige Flächen reduzierte Komposition und zum anderen durch die Verwendung von matten Farbtönen: ein mittleres Blau, das den Hintergrund bildet, steht im Kontrast zu einem mittleren Grün, das in einem kürzeren Mittelstreifen darüber liegt. Es wird seinerseits mit drei unterschiedlich langen schmalen rostbraunen Streifen akzentuiert – Designlinien, die auf eine fast zentral angebrachte Applikation hinweisen, die aus einem dunkelbraun-metallischen wirkenden kleinen rechteckigen Relief besteht, das drei bogenförmige Elemente trägt. Dieser Hingucker ist unaufdringlich, er zieht den Blick des Betrachters zunächst an, lenkt ihn dann aber wieder in Richtung der Bögen mit sanftem Schwung nach außen, mithin aufs Ganze.
Von allen anderen Quilts, die im Katalog abgebildet sind, unterscheidet sich „Meditation“ durch die auffällige, wie geknautscht wirkende, wohl in eigener Technik über das gesamte Werk gearbeitete Oberflächenstruktur, die der sachlich-harmonischen Arbeit eine stark reliefartig gestaltete Oberfläche verleiht und die auch weitere Arbeiten von Brigitte Fiß aus dieser Zeit aufweisen. Sollte es sich bei dem hier verarbeiteten Material um einen Stoff mit Glanz, wie ihn etwa Seide ausstrahlt, handeln, so würde diese Wirkung dadurch gemildert, so dass das Auge in Ruhe darüber wandern kann, während man meditiert und würde auch nicht etwa durch ein bestimmtes Quiltmuster gestört.
Während andere Arbeiten dieser Ausstellung beispielsweise auf einem oder mehreren traditionellen Patchwork-Mustern basierend, diese variieren, weist „Meditation“ eine eigenständige Gestaltung auf. Dies gilt auch hinsichtlich der Verarbeitungstechnik, die über ein Quilting insofern hinausgeht, als dadurch nicht nur ein Hauch von Körperlichkeit, sondern eine reliefartige Struktur erreicht wird.
Dieses Werk ist ein Beweis dafür, dass sich in Deutschland seit seinen Anfängen im Patchwork und Quilten, die noch stark von Literatur, Vorträgen und Ausstellungen aus den USA beeinflusst waren, etwas getan hatte. Man hatte inzwischen auch individuelle Ausdrucksweisen entwickelt, um sich künstlerisch auszudrücken. Einem innovativ-kreativen Ansatz folgend ist auch in Europa eine „Quilt Art“-Bewegung entstanden und „Meditation“ ist ein würdiger Vertreter dafür, der zu Recht in die Sammlung der Gilde gehört.
Quellen:
Brigitte Fiß: Mein wilder stiller Garten
Tradition und Moderne – Quilts 1992 – 2000, Ausstellungskataloge
Diverse Ausstellungskataloge der Quilt-Biennalen (1986 – 97)
Gudrun Heinz, Mai 2017