Stellungnahme für die Sammlung der Patchwork Gilde Deutschland e.V.
Heike Dressler: Transformation 3
Ausgestellt bei Tradition bis Moderne XI (2017)
121 x 171 cm (H x B)
Handgefärbter Baumwollsatin
Gepieced und maschinengequiltet, zweiteilig
Heike Dressler ist von Beruf Schneiderin, Diplom-Ingenieurin für Bekleidungstechnik und seit 17 Jahren als Lehrerin an der Berufsschule für Bekleidungstechnik in Nürnberg tätig. Seit ihrer Kindheit üben Stoffe eine besondere Faszination auf sie aus und als sie später auf Patchwork stößt, wird ihr schnell klar, dass sie keine Fleißarbeiten, sondern etwas anderes, Kreatives und Individuelles, will. Sie belegt Workshops, Kurse und Seminare bei namhaften deutschen und amerikanischen Lehrern, die sie begeistern und ihrem Ziel näher bringen.
„Von allen amerikanischen Lehrern hat mich Nancy Crow am meisten gefördert, gefordert und vorangebracht“, findet Heike Dressler, da sie ihre Konzentration auf Farben und Formen und ihre Kontraste, die sie zueinander bilden, lenkte, um im Zusammenklang mit ihrem technischen Know-how das anspruchsvolle künstlerische Arbeiten zu initiieren. Als dann Heike Dresslers Quilts anfangen, zu ihrer Schöpferin zu sprechen, ist der Durchbruch geschafft. Heike Dressler stellt ihre Quilttechnik um und verfolgt das Ziel, „den Farben und Formen Kraft zu geben, sie durch ein zu dominantes Quiltmuster nicht zu überfrachten, sondern ihnen vor allem zusätzliche Struktur zu geben“, wie sie es formuliert. Sie entwickelt ihren ganz eigenen, unverkennbaren Stil, bei dem sich Formen und Farben überlappen, ein gekonntes Spiel mit Transparenzeffekten und Intarsien in technischer Perfektion.
Hinzu kommt, dass sie sich bei den „Farbstoff-Frauen“ um Heide Stoll-Weber aktiv einbringt und sich zudem das Färben von Qualitätsstoffen aneignet – eine wunderbare Ergänzung zum eigentlichen Quilten, von dem ihre Arbeiten, wie auch „Transformation 3“, in besonderem Maß profitieren.
Mit „Transformation 3“ wurde eine von Heike Dresslers Arbeiten nun schon zum vierten Mal für die Ausstellung „Tradition bis Moderne“ ausgewählt und sie ist damit – wie schon so oft bei Ausstellungen im In- und Ausland – in der Szene präsent. Seit 2006 hat man ihre Werke bei Ausstellungen der Europäischen Quilt-Triennale, der European Art Quilts oder beim Festival of Quilts in Birmingham und bei anderen Events wie beispielsweise dem Europäischen Patchworktreffen in Ste Marie-aux-Mines im Elsass oder bei Einzelausstellungen gesehen – und man erkennt sie wieder, auf den ersten Blick.
Dies ist hauptsächlich durch ihre individuelle eindrucksvolle Formensprache und den virtuosen Einsatz von Farben bedingt, bei der sie ihre technische Versiertheit nutzt, um in ihren Art Quilts mit Kontrasten, Überschneidungen und scheinbar transparenten Effekten, mit Überlagerungen von Farben und Formen zu spielen. Die geschwungenen Formen in meist leuchtenden Farben und im großen Format überschneiden, durchdringen sich scheinbar mühelos und bleiben im Gedächtnis des Betrachters.
Aktuell entsteht eine neue Serie, zu der auch „Transformation 3“ zählt. „Ein neues Muster, das sich in Teilen zu einem großen Format zusammensetzen lässt, wartet darauf, umgesetzt zu werden“, schreibt die Künstlerin. Dabei greife ein Motiv in unterschiedlichen Größen ineinander, überlappe und bilde sich neu, je nach Perspektive des Betrachters, und dies lasse verschiedene Farbnuancen zu, sowohl im Vorder- wie auch im Hintergrund.
Lässt man „Transformation 3“ auf sich wirken, kann man in der Tat „Transformationen“ oder auch „Umwandlungen“ beobachten: Dazu sehe man sich nicht nur die Motive selbst genau an, sondern auch ihre Umgebung, den sog. Negativraum. Wie wird der Raum definiert und wie definiert dies wiederum das Motiv? Dass es die „normalen Sehgewohnheiten“ beeinflusst, kann man sich vorstellen, wenn man bedenkt, dass Heike Dressler als Bekleidungsingenieurin Formen verwendet, die auf den zweidimensionalen Schnittformen basieren, die man benötigt, um den weiblichen Körper dreidimensional zu umhüllen. Je nach Blickwinkel verändern sich Kurven, müssen angepasst, transformiert werden.
Auch in der Wahl ihrer Farben spielt die Künstlerin mit den Sehgewohnheiten des Betrachters.
In der sog. Figur-Grund-Beziehung entscheidet zum einen die Prägnanz der Form und Größe darüber, ob man ein Element als „Figur“ (Vordergrund) oder als „Grund“ (Hintergrund) wahrnimmt, zum anderen spielt aber auch die Farbgebung eine Rolle. Beim sog. Nah-Fern-Kontrast zum Beispiel geht es darum, dass Farben von unserem Auge als unterschiedlich weit entfernt wahrgenommen werden, rote Töne wirken näher, blaue weiter entfernt. In ihrer Arbeit „Transformation 3“ bleibt dies jedoch unbestimmt und zudem setzt Heike Dressler ihre handgefärbten Stoffe ein, die an manchen Stellen kontrastieren, an anderen miteinander zu verschwimmen scheinen – ein weiteres Gestaltungsmittel, um das Thema „Transformation“ zu interpretieren.
Nehmen Sie auf Basis dieser Kenntnis nun die Umwandlung(en) wahr? Mir geht es bei wiederholtem Betrachten so, dass sich immer wieder andere Bereiche der frei im Raum schwingenden Formen nach vorne schieben oder wieder zurücktreten. Auf jeden Fall darf man auf die neue Serie gespannt sein, wenn diese dann noch mehr als die beiden miteinander kommunizierenden Teile von „Transformation 3“ umfasst. Die Gilde hat mit dieser Arbeit einen Quilt für ihre Sammlung erworben, der das Schaffen einer zeitgenössischen Künstlerin exzellent repräsentiert.
Quellen:
Tradition bis Moderne, Ausstellungskataloge 2008, 2011, 2014
3. Europäische Quilt-Triennale (2006), Ausstellungskatalog
Statement von Heike Dressler
Gudrun Heinz, Mai 2017