Antike Quilts - Schenkung aus der Sammlung Dr. Kirchner

Stellungnahme zu Schenkung von von Frau Dr. Berna Kirchner für die Sammlung der Patchwork Gilde Deutschland e.V. in Dezember 2019

Das Geschenk

Frau Dr. Kirchner war eine begeisterte Sammlerin von antiken Quilts, und ihre große Sammlung umfasste Exponate aus der ganzen Welt. Die Quilts waren zu Lebzeiten von Frau Dr. Kirchner im Museum Schloss Eringerfeld ausgestellt, und viele Gildemitglieder haben Gelegenheit gehabt, sie dort zu bewundern. Vor 5 Jahren wurde die Quiltsammlung aufgelöst und musste anderswo eingelagert werden. Ende 2019 musste der Nachlass von Frau Kirchner jedoch wegen des Verkaufes des Hauses eine neue Bleibe haben. Die Hausbesitzer wandten sich an das Kurpfälzische Museum Heidelberg, genauer das Textilmuseum Max Berk in Ziegelhausen. Die ganze Sammlung erwies sich als zu groß für die Kapazität des Museums, deshalb kontaktierte Frau Dr. Scherer die Deutsche Patchwork Gilde und bot der Gilde an, sich die Schenkung zu teilen. Es war eine großartige Chance für die Gilde, ihren Bestand an antiken Quilts zu erweitern. Insgesamt haben der Nachlassverwalter, Museum Max Berk und die Deutsche Patchwork Gilde durch aufwendige Aktionen geholfen, wertvolle alte Quilts für die Nachwelt zu rettet.
Anhand eines Kataloges mit sämtlichen Objekten in Frau Kirchners Sammlung wurde eine einvernehmliche Auswahl getroffen. So erhielt die Gilde 17 historische Quilts für ihre eigene Sammlung. Damit können diese Quilts eines Tages wieder einem textilinteressierten Publikum gezeigt werden. Ein weiterer Aspekt ist die Möglichkeit der Forschung in dieser alten Volkskunst in Bezug auf kultureller Herkunft, Materialbeschaffenheit, Musterentwicklung und Symbolvielfalt der unterschiedlichen Kulturen. Da Textil fast überall das Domäne der Frauen war und ist, gibt es gewiss Nachholbedarf in dieser Richtung. Je vielfältiger eine Sammlung in dieser Hinsicht ist, je eher schließen sich Lücken, und verwandte Eigenarten aus gleichen Kulturkreisen können sich ergänzen.
Sollte der Spruch: „Ohne Wurzeln, keine Zukunft!“ auch für uns Quilter gelten?

Amerikanische Quilts aus dem 19. Jh.

Der größte Teil der Schenkung – nämlich 9 Quilts – stammen aus dem USA oder England und sind alle in den Jahrzehnten 1880 bis 1900 entstanden. Im Katalog ist jeder Quilt ausreichend beschrieben hinsichtlich Herkunft, Nähtechnik, Muster- und Farbgestaltung. Die Quilts sind sehr differenziert beschrieben und für Menschen ohne textile Vorkenntnisse gut verständlich. Deshalb benötigen sie keine Ergänzungen, und sie sollen hier nur, mit der Original-Nummer aus dem Katalog, in ihrer jeweiligen Eigenart kurz erwähnt werden. Manche Quilts tragen auf Grund ihres Alters Gebrauchs- und Verfallsspuren. Eine Restaurierung ist aber nicht vorgesehen.
1-9:  Victorian Crazy Quilt mit Zickzack Rand, 1880, handgenäht mit feinen Stickereien, aus wertvollen Stoffstücken. USA
2-2:  Crazy Quilt, 1880, handgenäht und bestickt, aus Wolle, Seide und Samt. USA
2-4:  Schachbrettdecke mit Dreiecksmuster, um 1890, handgenäht mit Schachbrett im Zentrum, aus Samt und Seide. England
4-8:  Rhomben-Jo-Jo, vermutlich 19. Jh., handgenähte Jo-Jos aus Baumwollmischgewebe, maschinengequiltet. Herkunft unbekannt
5a-9:  Pokal mit „Star of Bethlehem“, vor 1900, Applikationen handgenäht, Baumwolle. Canada
5-1: „Flower Garden“, um 1900, handgenäht aus Samt, Seide, Brokat, Baumwolle. England
8-7: „Windmill“, um 1900, handgenäht, bestickte Borten und Motive, Samt und Seide. USA
T1-2: „Victorian Quilt“, vor 1900, handgenäht, handbestickt und bemalt, Samt. USA
T2-1: Kutscherdecke, 1875, handgenäht, handgeknotet, Samt, Damast, Cord. USA

Amerikanische Quilts aus dem 20. Jh.

Eine kleine Gruppe in der Schenkung bilden drei jüngerer Quilts. Sie sind in der Motivwahl und die dazu passende Applikationstechnik, die pastelligen Farben, und durchgängig Baumwolle als Material, typisch für ihre Epoche. Die jeweiligen Texte von Frau Dr. Kirchner beschreiben gut und nachvollziehbar die Ausstrahlung der Motive und Farbgestaltung, die Nähtechniken und den Zustand der Exponate.
6-3: Schmetterlingsvariation, 1930ger, handappliziert, Knopflochstich, Baumwolle. USA
6-8: Rote Tulpen, 1930ger, handappliziert, mit Schwarz bestickt, Baumwolle. USA
6-13: „Dresden Plate“, 1920, handappliziert, maschinengequiltet, Baumwolle. USA

Quilts aus anderen Kulturräumen

7a-1: Tischläufer, kurdische Arbeit um 1850 hergestellt, 1999 in Anatolien, Türkei gekauft. Diese Technik wird heute noch besonders in den westlichen Teilstaaten von Indien, Kutch und Gujarat, im großen Stil verwendet, jedoch heute eher aus ausrangierten Kleiderstoffen gemacht. In der vorliegenden Arbeit sind schwere Vorhangstoffe und Reste von dickeren Kleidungstücken eingearbeitet. Die einzelnen Teile sind mit Bündeln von Fäden verbunden, die mit groben Sticke auf den Hintergrund festgenäht wurden. Die typischen indischen Elemente, die wir auch heute kennen, nämlich Goldstickerei und Shisha-Spiegel, waren damals schon gebräuchlich. Eine statische Gesellschaft ändert nicht so schnell ihre Mode!
7-5: Hohlguirlande aus Afghanistan aus dem 19.Jh. Diese Art von Hohlguirlanden trifft man vom östlichen Türkei bis Pakistan, oft als Schabracken oder Gardinen verwendet. Die Stickerei ist auch aus den Koraks bekannt. Eventuell sind die kleine Stoffteile in Ikat aus Seide.
7-12: Applikationsarbeit aus Indien, handgenäht um 1900, Pflanzengefärbte Baumwollstoffe, stark ausgeblichen. In der Literatur findet man kaum Hinweise auf diese Art von bildlichen Applikationsarbeiten aus dem Indisch-Nepalesischen Raum. Da Helle Eggebrecht, Sehnde, im Besitz von einem ähnlich gestalteten Wandbehang aus Nepal ist, 110 Jahre alt und in der Größe: 180 x 120 cm, und mit einer vergleichbarer Tiergestaltung, wie auf dem vorliegenden Wandbehang, handelt es sich vielleicht um einer Textilarbeit typisch für diesen Kulturraum.
7-16: Applikationsarbeit, gestaltet in klaren Farben: Weiß, Schwarz, Rot und Türkis und ein wenig Goldgelb. Das Schwarz lässt die Farben leuchten, und das Weiß bringt Tiefe in das Bild. Der Quilt stammt vermutlich aus Ägypten und wäre dann aus groben Leinen in der Zeltmacherstraße in Kairo von Männern per Hand genäht.  Das Motiv ist streng islamisch, und es ist eine textile Nachahmung der Kachelmosaiken, die bis in die heutige Zeit an vielen religiösen und profanen Gebäuden zu finden sind. 

Der Bibel-Quilt

Gu-3: Afroamerikanischer Quilt, 1960 als Auftragsarbeit für ein Museum von einer Afroamerikanerin handgenäht und handgequiltet, aus Baumwolle. USA.
Afroamerikanische Quilts sind von Nachkommen der Sklaven, sogenannte Afroamerikaner genäht. Manchmal deuten Spuren auf ihrer ursprünglichen Herkunft hin. Ihre Art zu gestalten wird manchmal mit dem Jazz verglichen, denn bei beiden Kunstformen wird über Themen und Grundelementen improvisiert. Asymmetrie und starke Farbkontraste, wie wir es von den afrikanischen Kleiderstoffen kennen, ist ebenso typisch.
Aus dem 19. Jh. sind nur zwei afroamerikanische Quilts bekannt, beide von einer ehemaligen Sklavin genäht, nämlich Harriet Powers (1837 – 1910) aus Athens, Georgia. Berühmt ist ihre Bibel-Quilt, 1886 genäht, mit biblischen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Der Quilt, der sich jetzt in der Gildesammlung befindet, ist eine viel jüngere ungenaue Kopie von Harriet Powers Bibel Quilt. Die 11 Bilder sind in den für Patchwork typischen Blöcken mit „Ecksteinen“ genäht. Größe und Einteilung der Blöcke sind frei und asymmetrisch gestaltet.

Schnuppe von Gwinner sagt uns folgendes:
„Gleichgültig an welchem Ort der Welt Quilts entstehen – geschaffen von einer Pionierfrau des 19. Jahrhunderts, einer indischen Bauersfrau oder einem Quiltmaker des 20. Jahrhunderts – immer bleiben sie ein Gegenstand, der nur durch die eigene Anschauung, in der direkten Gegenüberstellung von Objekt und Betrachter, in seiner ganzen Dimension erfasst werden kann. Mehr als nur ein Bild und mehr als nur eine Decke erfasst er alle Sinne, die im Photo oder der Beschreibung nur partiell angesprochen werden können.“
(Zitat aus: Gwinner, Schnuppe von: „Die Geschichte des Patchworkquilts“. Keyser Verlag 1987.)

Helle Eggebrecht